Die Grande Dame des Regency
- ein Autorenportrait von Happy End Buecher
Geht es um das Genre Regency, wird Georgette Heyer in einem Atemzug mit Jane Austen genannt. Dabei wird aber oft vergessen, dass Jane Austen (1775 - 1817) im Grunde zeitgenössische Romane verfasst hat, während Georgette Heyer (1902 - 1974), die keine solche Zeitzeugin war, uns dagegen mit in jedem Detail hervorragend recherchierten Geschichten beeindruckt.
Georgette Heyer wurde am 16. August 1902 in Wimbledon geboren und verstarb 1974 in London. 1921, im Alter von 19 Jahren, erschien ihr erster und sogleich erfolgreichster Roman. Nach dem Tod ihres Vaters schrieb sie, um ihre Mutter finanziell zu unterstützen und ermöglichte zudem ihren beiden Brüdern eine Ausbildung.
Im Jahr 1925 heiratete sie den Bergbauingenieur Ronald Rougier und begleitete ihn bei seinen beruflich bedingten Auslandsaufenthalten nach Tanganjika und Mazedonien. 1932 kam ihr Sohn zur Welt, aber immer noch schrieb sie unermüdlich weiter, auch um ihren Mann eine neunjährige Zusatzausbildung als Jurist finanzieren.
Bis 1973 erschienen über 60 Titel, historische und zeitgenössische Romane, sowie Krimis - sie musste schon seit einigen Jahren nicht mehr aus finanziellem Druck schreiben.
Georgette Heyer hielt sich komplett aus der Öffentlichkeit fern. Sie gab weder Interviews noch war sie zu öffentlichen Einladungen, Ehrungen oder ähnlichem bereit. Sie lehnte Anfragen stets mit dem Satz "You will find me in my work" (Sie finden mich in meiner Arbeit.) ab.
Sie ging sogar so weit, dass sie Romane zeitweise vom Markt nahm, die ihrer Meinung nach zu viele autobiografische Züge enthielten, wie z.B. ihre zeitgenössischen Werke, "The Barren Corn", "Helen", "Instead of the Thorn", "Pastel".
Ganz besonderen Wert legte sie darauf, egal ob Krimi oder Gesellschaftsroman, ausschließlich über das zu schreiben, was sie wusste, und so erarbeitete sie sich stets ein ausführliches Recherchewissen. Das ging so weit, dass sie damit sogar als Sachverständige des britischen Museums glänzen konnte.
Erst nach ihrem Tod erklärten sich Heyers Ehemann, Verwandte und Freunde bereit, der Autorin Jane Aiken Hodge Rede und Antwort zu stehen, um das Schreiben einer Biografie zu ermöglichen (The Private World of Georgette Heyer, 2006).
Georgette Heyers "Trivialliteratur", wie die Autorin ihre Werke einst abwertend genannt hat, sind ein Phänomen. Sie stehen seit über 85 Jahren, mit kleinen Ausnahmen, in den Regalen der Buchhandlungen dieser Welt und erfreuen sich in all der Zeit stets bleibender Beliebtheit – und damit gehört Georgette Heyer zu einer der raren ewigen Bestseller-Autorinnen.
Auch heute noch verfallen junge Neu-Leser dem Charme Georgette Heyers Romanzen und die älteren Leser dem feinen, manchmal sarkastischen Humor und den spitzig grandiosen Wortduellen Heyerscher Charaktere.
Naturgemäß kommen aber nicht alle Leser mit den Büchern von Georgette Heyer zurecht: "Hirnverknotende, gedrechselte und zudem ellenlange Sätze" oder "die gesetzte Schreibweise, die sich zu langsam entwickelt, sowie das fehlende Prickeln eines modern geschriebenen Liebesromans", so lautet die oft ein wenig enttäuschte Kritik.
Schließlich werden die begeisterten Georgette Heyer Leser nicht müde, den Wortwitz anzupreisen, von den wunderbar unschuldigen Geschichten, die in eine andere Welt entführen, den herrlichen Einfallsreichtum und die Kreativität der Autorin zu schwärmen, sowie „den Humor in den köstlichen Wortduellen und die herrlichen Helden“ anzupreisen. Das schürt entsprechend hoher Erwartungen, die sich am Ende manchem Genre-fremden Leser unter Umständen so gar nicht eröffnen.
Georgette Heyer hat neben ihren historischen Romanen und Krimis zwei Arten von Regencies geschrieben: "die eher ruhigen Romane mit wenig Bewegung und kaum Action, wie "Der schweigsame Gentleman", "Venetia" oder "Frühlingsluft". Und dann die spritzigeren, voll mit Irrungen und Wirrungen gefüllten Geschichten, wie "Eskapaden" oder die "Drei Ehen der Grand Sophy".
Diese eignen sich dann auch am besten als Einstieg ins Werk der Autorin. Als leichte, amüsante und komödiantische Lieblingslektüre werden zumeist folgende Geschichten genannt:
Die drei Ehen der Grand Sophy
Brautjagd
Eskapaden
Die bezaubernde Arabella
Geliebte Hasardeurin
Die Vernunftehe
Skandal im Ballsaal
Aber nicht alle historischen Heyer Bücher sind Regencies! So spielt z.B. "Brautjagd" zu Beginn des 17. Jahrhunderts, "Der tolle Nick", ein Mantel- und Degen Abenteuer im späten 16. Jahrhundert und "Der Unbesiegbare" im Mittelalter.
Wie die Krimis der Autorin, so sind auch die zeitgenössischen Werke eine Welt für sich. Sie sind weniger humorvoll und drehen sich eher um sozial- und gesellschaftskritische Themen: "Man fühlt sich nach dem Lesen also nicht so locker leicht wie bei ihren Regencies und trotzdem sind auch diese Gesellschaftsromane es wert gelesen zu werden. Leider sind gerade die zeitgenössischen Werke sehr schwer zu bekommen und richtig teuer in der Anschaffung."
Als Leser muss man sich auf die Autorin und ihren altmodischen Schreibstil einlassen. Auch wenn man vielleicht nach den ersten Seiten schon fast am Verzweifeln ob der komplizierten Ausdrucksweise ist, sollte man nicht verfrüht die Flinte ins Korn, oder besser gesagt das Buch in die Ecke werfen.
Auch sollte man nicht die Hinweise begeisterter Leser übersehen, die immer wieder daran erinnern, dass Georgette Heyers Geschichten, hier sind auch ihre Regencies mit eingeschlossen, „keine Liebesromane im eigentlichen Sinne sind, sondern eigentlich spritzige Gesellschaftskomödien, die im Zeitalter des Regency spielen; jedoch alle von einer zarten Liebesgeschichte als roter Faden durchzogen sind“. Bedenkt man alle diese Empfehlungen, so wird sich nach einer kleinen Gewöhnungsphase die Begeisterung für die Autorin und ihre Werke bestimmt wie von selber einstellen.
(Text: AS)