Die Wiener Autorin Mona Vara hat "Happy End Buecher" einen Artikel zur Verfügung gestellt, der sich mit der Zeit des Wiener Kongress beschäftigt.

Wir haben uns sehr über die Unterstützung der Autorin gefreut, die zu unserem großen Bedauern im  Januar 2016 in Wien verstorben ist.

Der Wiener Kongress

18. September 1814 bis 9. Juni 1815

Napoleon war ein Naturereignis. Ihn einen großen Schlächter schmähen heißt nichts anderes, als ein Erdbeben groben Unfug schelten oder ein Gewitter öffentliche Ruhestörung.“ (Christian Morgenstern)

Nach dem Russland-Feldzug, der den größten Teil seiner Armee das Leben kostet, ist Napoleon im Frühjahr 1813 nicht mehr in der Lage, neue Armeen aufzustellen und sie mit Ausrüstung zu versehen. Im Glauben an seine Überlegenheit ist er jedoch nicht zum Frieden bereit. Österreich, Russland und Preußen, England und Schweden bilden eine Allianz, und zwischen dem 16. und 19. Oktober 1813 kommt es dann zu der Völkerschlacht bei Leipzig.

Von 520.00 beteiligten Soldaten werden 115.000 getötet, und der Oberbefehlshaber über die verbündeten Streitkräfte, Fürst Karl Philipp zu Schwarzenberg, schreibt an seine Frau: „… die Niederlage des Feindes ist beispiellos, nie sah ich ein schaudervolleres Schlachtfeld …“

Am 31. März 1814 nehmen die alliierten Truppen Paris ein, und Napoleon muss abdanken. Als Wohnsitz wird ihm die etwa 10 km von der italienischen Küste entfernte Insel Elba zugewiesen.

Im Frieden von Paris im Mai 1814 wird die Zusammenkunft der Monarchen und Vertreter der wichtigsten Staaten vereinbart: Der Wiener Kongress. Europas Staaten sollen nach 22 Kriegsjahren wieder dauerhafte Grenzen erhalten. Die politischen Akteure Europas eilen hin, um sich ihre Rechte zu sichern. Oder, wie es Karl Soll ausdrückt: um die Beute zu teilen. Hilde Spiel sagt in „Der Wiener Kongress in Augenzeugenberichten“: „Der Wiener Kongress war kein Schauerdrama, sondern ein Gesellschaftsstück, das von den besten Schauspielern der Weltbühne dargestellt wurde.“
Und so ist es auch, denn wie der Fürst und Feldmarschall Charles Joseph duc de Ligne feststellt: „Der Kongress kommt nicht vom Fleck; er tanzt.“

Der Wiener Kongress tagt und tanzt

Der Kaiser Franz hatte in seinem Palast seine erhabenen Besucher aufgenommen“, schrieb der Comte Auguste de La Garde in seinem „Gemälde des Wiener Kongresses“. „Man zählte damals zwei Kaiser, zwei Kaiserinnen, vier Könige, eine Königin, zwei Kronprinzen, der eine ein kaiserlicher, der andere ein königlicher, zwei Erzherzoginnen und drei Prinzen, die in der Burg wohnten. Die junge Familie des Kaisers war genötigt gewesen, nach dem Schlosse zu Schönbrunn zu ziehen.“

Um die einhunderttausend Gäste kamen nach Wien: Staatsoberhäupter und deren Vertreter, Wissenschaftler, Prediger, Musiker, Maler, Schriftsteller, Schauspieler, lebenslustige Damen und viele Abenteurer. Die Kosten beliefen sich auf etwa 80.000 Gulden pro Tag. Der „gute“ Kaiser Franz I ließ sich das Schauspiel insgesamt 16 Mio. Gulden aus der österreichischen Staatskasse kosten.

Zwischen Ausflügen, Theateraufführungen, Konzerten, Banketten, Redouten, Praterfahrten, Hofjagden, Hofbällen, Karussells, Schlittenfahrten wurden Geheimverhandlungen geführt, Geheimbündnisse geschlossen, bei Salonintrigen Politik gemacht. Tanz und Theaterspielerei also nicht nur auf der Bühne sondern auch auf dem politischen Bankett. Und Minister Metternich war der Choreograf.

Nicht alle waren zufrieden. Erzherzog Johann schrieb in sein Tagebuch: „Nichts als Visiten und Gegenvisiten; Essen, Feuerwerk, Beleuchtung. Überhaupt habe ich seit 8 – 10 Tagen nichts getan.“ „Das ist eine neue Art, Krieg zu führen: den Feind auffressen“, lautete im Volk das neue Bonmot, das die Runde machte. Maximilian Graf von Montgelas, der erste Minister von Maximilian, dem König von Bayern, meinte, dass „… man dem Wiener Kongress wohl den Vorwurf machen darf, dass durch stets wiederkehrende Festlichkeiten die unausgesetzte Aufmerksamkeit, welche den dort zu behandelnden wichtigen Fragen gebührte, allzu oft zerstreut wurde.“

Nun, da hat er recht. Oder? Vielleicht wäre es mit ein bisserl mehr Konzentration auf die Verhandlungen schneller gegangen und das Feiern und Taktieren hätte nicht Monate gedauert. Aber warum auch nicht? Es war Europas letztes großes gesellschaftliches Ereignis, die Leute hatten ihren Spaß daran, und wir können uns heute darüber wundern und uns daran ergötzen. Allerdings wurde es selbst dem Kaiser Franz manchmal zu viel. „Wenn das so fortgeht, so lass ich mich jubilieren; ich halte das Leben in die Länge nicht aus.“

Der Kongress tanzte also. Monarchen und deren Vertreter tanzten den diplomatischen und den Intrigen-Reigen, jedoch verlor dabei kaum jemand das Ziel aus den Augen: Das Bestmögliche für sich, seinen Souverän und sein Land herauszuholen, oder eben die Beute möglichst gewinnbringend zu teilen.

Und um alle tanzten Wiener Polizeiagenten und Spitzel – die „Naderer“. Der österreichische Polizeiminister Baron Hager schrieb schon im Juli an den Oberpolizeidirektor Siber: „Die bevorstehende Ankunft der fremden Souveräne erheischt vervielfachte Aufsichtsanstalten, wodurch man täglich zur Kenntnis alles dessen, was ihre a.h. Personen und ihre nächsten Umgebungen betrifft, aller jener Individuen, die sich ihnen zu nähern suchen, und der Pläne und Unternehmungen, die an diese hohe Gegenwart sich reihen dürften, auf eine möglichst umfassende Weise gelangen könnte …“

Das klingt für uns nicht nur sehr kompliziert, sondern auch nicht sonderlich sympathisch. Andererseits verdanken wir heute nicht nur den Tagebüchern hoher Herrschaften, sondern zu einem großen Teil diesen „Konfidenten“ - Herren von Stand, Bedienstete und Lakaien, Kaminheizer und Kanzleidiener, Gastwirte, Vermieter von Privatlogis - die vielen Informationen über den Wiener Kongress. Es wurde belauscht, es wurde bespitzelt, Briefe wurden geöffnet, kopiert (die Abschriften hießen „Interzepte“) und weitergesandt. Papierkörbe wurden durchwühlt, Aschenreste aus den Kaminen gekehrt. Man mag gar nicht überlegen, ob Nachttöpfe etwa auch in die Untersuchungen einbezogen wurden. Diese kostbaren, vor der Vernichtung geretteten Dokumente nannte man „Chiffons“. Und alles zusammen wurde zuerst von Baron Hagers verlässlichen Mitarbeitern, dann von ihm selbst gelesen und in einer Endauswahl dem Kaiser vorgelegt. Ach ja, was hätten diese Leute damals nicht für ein paar gut versteckte Wanzen oder Minikameras in Sonnenbrillen gegeben! Oder für Hochleistungsscanner, die ihnen das mühsame Abschreiben erspart hätten! Ganz zu schweigen von Spionagesatelliten! Haben unsere Geheimdienste es heute nicht ungleich besser? Ich hoffe, sie wissen das auch zu schätzen.

Die hohen Herren und Damen amüsierten sich Tag und Nacht und arbeiteten dabei an der Neuordnung Europas. Napoleon war besiegt und saß auf seinem Königreich Elba. Alle tanzten, feierten, intrigierten, manipulierten. Es lief also alles großartig.

Bis in der Nacht auf den 6. März 1815 die Schreckensnachricht eintrifft: Napoleon ist geflohen. Wie Metternich später selbst sagt, lässt er die Nachricht des österreichischen Konsuls in Genua ungelesen auf seinem Nachttisch liegen und öffnet sie erst am nächsten Morgen: „Der britische Kommissar Campell ist soeben im Hafen erschienen, um sich zu erkundigen, ob sich Napoleon vielleicht in Genua habe blicken lassen, denn von der Insel Elba sei er verschwunden.“

„Der Gebieter und Gefangene Europas“ hatte sich also klammheimlich davongemacht, direkt unter den Nasen der englischen Kriegsschiffe, die ihn bewachen sollten. Ab jetzt wurde nicht mehr getanzt. Es wurde wieder Krieg geführt und Napoleon in der Schlacht von Waterloo endgültig besiegt. Dieses Mal gingen die Alliierten kein Risiko mehr ein: Der ehemalige Kaiser der Franzosen wurde auf eine Insel im Südatlantik verfrachtet, St. Helena, wo er 1821 starb.

Mit der Schlussakte vom 9. Juni 1815, einige Tage vor Waterloo, beendete der Wiener Kongress endlich seine Verhandlungen. Ausschlaggebend für die Beschlüsse, die in diese Akte aufgenommen wurden, waren allerdings nur die Großmächte Russland, England, Österreich, Preußen und Frankreich. Die Ergebnisse? Die neue „alte“ Ordnung, das Gleichgewicht der Großmächte war wieder hergestellt worden, die Interessen der Dynastien gewahrt. Für mich als politischer Laie das positivste Ergebnis: Das Verbot des Sklavenhandels.

Die Kongressteilnehmer und die Wiener

Wie waren sie denn so, die großen Mitspieler, die Monarchen, auf denen die Augen des Volkes ruhten?

De La Garde sagte: „Das Auftreten der Monarchen schien das einfacher Privatleute. Man sah es ihnen an, dass sie es liebten, frei vom Zwange der Etikette zu sein. Oft begegnete man dem Kaiser von Österreich und dem Könige von Preußen in bürgerlicher Kleidung Arm in Arm auf den Straßen. Alexander ging ebenfalls häufig mit dem Prinz Eugen (von Beauharnais) spazieren. … Diese Szenen häuslicher Vertraulichkeit machten im Publikum bald die Runde und bildeten den Gegenstand aller Tagesgespräche.“

Graf Nostitz drückte es weniger charmant aus: „Das Unbeachtetste in Wien sind die Fürsten, weil man so sehr an ihren Anblick gewohnt ist.“

Und der bereits zitierte Maximilian Graf von Montgelas meinte: „…Die Einwohnerschaft Wiens, bisher in den Anschauungen einer früheren Zeit befangen, sah sich mit Verwunderung enttäuscht, als sie in denjenigen, welche sie gewissermaßen als Halbgötter zu verehren pflegte, nur gewöhnliche Menschen kennenlernte. Gewisse Abenteuer mit Frauenzimmern wiederholten sich zu oft und wurden auch allgemein bekannt, wobei die Lächerlichkeit, welche von verschmähten Liebesdiensten unzertrennlich ist, nicht selten Personen berührte, bei denen solches nicht unbedenklich war und um jeden Preis hätte vermieden werden sollen.“

Waren sie wirklich so Halbgötter? Wohl kaum, denn schon in den ersten Oktobertagen machte in Wien ein gedrucktes Blatt mit den Porträts der Monarchen und den Bemerkungen die Runde:

Zar Alexander I von Russland: Er liebt für alle.
Friedrich Wilhelm von Preußen: Er denkt für alle.
Friedrich von Dänemark: Er redet für alle.
Maximilian von Bayern: Er trinkt für alle.
Friedrich von Württemberg: Er isst für alle.
Kaiser Franz von Österreich: Er bezahlt für alle.

Apropos leichte Damen. Baron von Hager legte dem Kaiser am 28. Februar 1815 folgenden Bericht vor: „Auch ist kein Schlupfwinkel in der Stadt, wo selbe (der Großherzog von Baden, der Erbprinz von Hessen-Darmstadt, die Prinzen August von Preußen, Karl von Bayern, Fürst Eugen von Beauharnais) sich nicht zu den gemeinsten Weibspersonen bei Tag und Nacht verlieren. … Es haben sich eine Menge galanter Frauenzimmer etabliert, … Dass in dieser Unterhaltung die inländischen Kavaliere den fremden nicht ganz nachstehen und dass andere dem Beispiel der größeren folgen, ist eine bekannte Sache.“

Der Kaiser selbst sah das gelassener. „Nur kan Genierer“, sagte er trocken, als man ihm berichtet, dass ein russischer Adjutant die Demoiselle Josephine Wolters, eine bekannte Kokotte, in Männerkleidern in die Burg geschmuggelt hatte.

Und was machen die Wiener unterdessen, während die „Großkopferten“ tanzen und tändeln und geheimverhandeln? Das ist unterschiedlich. Manche raunzen, andere verdienen. Gewerbe wie Zimmervermieter, Wirte, Theaterdirektoren, Kunsthändler und die Grabennymphen haben natürlich Hochsaison.

Im „Wiener Stimmungsbericht“ vom 28.2.1815 stand: „…Die öffentlichen Gasthäuser setzen das schlechteste Zimmer täglich um vier bis fünf, auch sieben Gulden an.“ Wie weit auch die Preise der Kokotten und Grabennymphen gestiegen waren, konnte ich leider nicht herausfinden, aber der Eipeldauer sagte in einem seiner Briefe über die Lebensmittel in etwa: „Die Viehhändler und Wildprethändler lassen sich das Viehleben viel teurer bezahlen als ein Menschenleben, das ist in all den Kriegen größtenteils nur auf 6,7 Kreutzer gekommen, aber so ein Kapauner- oder Indianleben kommt auf drei bis fünf Gulden.“ (Die Eipeldauer-Briefe waren eine periodische, spitzzüngige Zeitschrift; der Verfasser Joseph Richter, geb. 1749, gest. 1813, schrieb innerhalb von 28 Jahren 194 fiktive Briefe aus Wien an einen ebenso fiktiven Vetter.)

Und wie auch sonst ist hier des einen Freud des anderen Leid, denn diejenigen, die nicht verdienten, sondern zahlen mussten, jammerten natürlich. Viele waren gezwungen, neben ihrem Beruf noch zusätzliche Arbeiten anzunehmen, um ihre Familien vor dem Verhungern zu retten. Lebensmittel, Brennstoffe, Mieten wurden empfindlich teurer. Und die Erwerbsteuer wurde auf 50 % erhöht, um die Ausgaben des guten Kaisers Franz abzudecken. „Da fahrn sie mit unseren fünfzig Prozent“, hörte man bei den „Schlittentagen“ der Monarchen aus dem Volk.

Und was tun sie sonst, außer verdienen und raunzen: Na ja, sie schauen halt gerne. „Durch die Neuheit des Schauspieles angezogen drängte sich stets eine Menge Menschen an den Zugängen der Burg“, schrieb de la Garde.

Friedrich Anton von Schönholz drückte es in seinem Buch „Traditionen zur Charakteristik Österreichs“ weniger nett aus: „In dem Grade, als die Vorkehrungen wuchsen, nahm die umhertreibende Menge, das Gaffen zu. Die Hofküchen wurden erweitert: da stand ein Haufe Menschen. Dort trug man eine neue Schabracke: Hunderte erbaten sich die Ansicht nur eines ihrer Zipfel. In den Marstallhöfen, im Prater, vor dem Palais der Prinzen, Gesandten, Magnaten, vor Staatsgebäuden und in der Burg, … wo ein Glaswagen gewaschen, ein Teppich ausgeklopft wurde, drängten und strömten Haufen zu – jeder Schneider oder Tapezierer mit einem grün eingewickelten Pack unter dem Arm rollte, wie ein kollernder Tannenapfel die Lawine, einen Menschenknäuel um sich auf.“

Ja so lasst die Leute doch gaffen, möchte man schreien! Sie hatten ja noch kein Fernsehen und kein Internet, keine Computerspiele, diese armen Teufel! Was sonst hätten sie denn tun sollen? Außer Schauen?

Und wir wollen jetzt auch schauen, und zwar auf eine kleine Auswahl der hervorstechendsten Figuren auf diesem tanzenden Kongress. Was ich herausgesucht habe, kann diesen Personen jedoch niemals gerecht werden. Es sind nicht mehr als flüchtige Blicke, Anekdoten, Meinungen von Zeitgenossen und weit davon entfernt, die Persönlichkeit oder die gesellschaftlich-politische Rolle wiederzugeben. Aber sie sind amüsant.

Metternich (1773 - 1859)

Neben Talleyrand und Alexander I war Österreichs Staatskanzler Wenzel Lothar Fürst von Metternich-Winneburg-Ochsenhausen die markanteste und einflussreichste Figur auf dem Kongress.

Oder, wie er von Spöttern genannt wurde: der Papillon Metternich. Stephan Vajda sagt über ihn, dass Metternich ein begeisterter Metternich-Anhänger gewesen sei, selbstbewusst, arrogant und eitel. Ein Kosmopolit aus politischer Leidenschaft heraus, unbestechlich und treu, liebenswürdig und vor allem klug. Ein Mann, der fanatische Feindschaft ebenso anzog wie unbedingte Freundschaft. Er erfand die Kongressdiplomatie, die internationale Tagung. (Das Gemälde stammt von Thomas Lawrence.)

Talleyrand, der Vertreter Frankreichs und des Bourbonen Ludwig XVIII, der Napoleon gefolgt war, konnte Metternich nicht ausstehen, aber Herr von Gentz, der „Sekretär des Kongresses“ und Metternichs rechte Hand schrieb in sein Tagebuch: „Der Minister ist immer mit hundert Dingen und vielleicht etwas zu sehr mit seinen eigenen Interessen beschäftigt; er besitzt Begabung und Geschick und Unerschrockenheit, ist aber leichtfertig, oft von Zerstreuungen in Anspruch genommen und von sich selbst erfüllt. Sollte ihm sein Stern treu bleiben – dann wird er wohl imstande sein, sich und Österreich in angemessene Verhältnisse zu bringen.“

Und die Frauen? Mit der Fürstin Bagration, der späteren Mätresse von Zar Alexander I verband ihn vor Jahren in Paris ein Verhältnis. Als er sie in Wien dann vernachlässigte, rächte sie sich, indem sie Vertraulichkeiten ausplauderte. Und während des Wiener Kongresses schrieb ein anonymer Verfasser: „…er geht, kaum angezogen, zur Sagan seufzen, fünf bis sechs Stunden.“ (Gemeint ist die Herzogin Wilhelmine von Sagan) Offenbar erfolglos, denn es heißt weiter: Fürst Metternich sucht sich jetzt über die von der Herzogin von Sagan ihm zugefügten Misshandlungen zu zerstreuen, und macht anhaltend der Julie Zichy den Hof

Kaiser Franz I von Österreich (1768 - 1835)

Erzherzog Franz von Österreich war als Franz II der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, begründete am 1804 das Kaisertum Österreich als Erbmonarchie und legte 1806 den Titel eines römisch-deutschen Kaisers ab.

Was sagte Joseph II 1789 in einem Brief an Kaunitz, zu einer Zeit, als der junge Franz als Nachfolger in die Regierungsgeschäfte eingeweiht wurde: „Erzherzog Franz ist nicht ohne Kenntnisse und auch nicht ohne Fleiß, von zwar kaltem und langsamen, aber richtigem Urtheil, apathisch gegen alles, was man Vergnügen und Unterhaltung nennt, gesund, sogar kräftig; er wird zwar nie das besitzen, was man Annehmlichkeiten des Geistes und Körpers nennt, kann sich aber doch dereinst als ein für die Geschäfte gut organisierter Kopf erweisen und Festigkeit des Charakters an den Tag legen.“

Das volkstümliche Image war das des „guten Kaisers Franz“. Sein Bruder, der Erzherzog Johann, schreibt über ihn: „Überall geht unser Herr wie hier in Wien herum, überall erkannt, und wird ihm herzlich zugerufen; nur eine Stimme über ihn; das freut mich herzlich.“

Sein Sohn Ferdinand I ließ am Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig den Grundstein für das Denkmal in der Hofburg setzen, wo Franz I in der Gestalt eines römischen Imperators von den traditionellen Herrschertugenden in Frauengestalten umgeben ist. (Das Foto, siehe unten, habe ich Anfang Oktober gemacht. Links hinten sieht man den Durchgang zum Ballhausplatz.)

Franz I war darauf bedacht, als guter Gastgeber zu erscheinen, auch wenn Österreich 1812 vom Staatsbankrott getroffen worden war und so gut wie keinen Kredit mehr hatte. (Die Bankiers Rothschild wurden 1815 geadelt, weil sie zinsenfreie Kredite herbeischafften, um den Kongress zu finanzieren.) Und sonst wurde halt viel neues Papiergeld gedruckt, die sogenannte Wiener Währung.

Die Untertanen verloren mit dieser Geldentwertung nicht nur einen großen Teil der Ersparnisse, sondern die Einkommen sanken unter die Grenze der Lebenshaltungskosten herab. Selbstmord, in Mitteleuropa bei dahin fast unbekannt, war auf dem Land und in der Großstadt keine Seltenheit mehr. Der gute Kaiser Franz I büßte seine Popularität merklich ein. Am Reiterstandbild seines Vorgängers Joseph II auf dem Josefsplatz brachten unbekannte Täter ein Schild mit dem Text an: „Joseph, das sind Zeiten! Geh, steig runter, laß den Franzl reiten!“ (Stephan Vajda)

Das bewusste Denkmal von Joseph II auf dem Josephsplatz, im Hintergrund der Eingang zum Prunksaal der Nationalbibliothek.

Und die Liebe? „Der Kaiser von Österreich besucht die Museen, der Kaiser von Russland die Huren.“

Der Kaiser selbst beim ersten Anblick seiner vierten Braut, Karoline Auguste von Bayern: „Das ist eine, die einen Puff aushalten wird, wenigstens habe ich nicht wieder in vierzehn Tagen eine Leich‘.“ Tatsächlich wurde Karoline 81 Jahre alt. Sie überlebte ihren Gatten um fast 40 Jahre.

Zar Alexander I Pawlowitsch Romanow (1777-1825)

Alexander wurde nach der Ermordung seines Vaters Paul I. Zar. Es heißt, dass er nichts von dem Mord gewusst und ihn nicht gebilligt habe, aber die Schuld habe ihn sein Leben lang begleitet.

Wie bei allen anderen Staatsmännern auf dem Wiener Kongress waren die Meinungen auch bei Alexander I geteilt. Napoleon selbst sagte einmal zu Metternich über Alexander: „Neben so viel Bestechendem im Umgang liegt etwas in seinem Wesen, das ich nicht bezeichnen und worüber ich mich nicht besser aussprechen kann, als indem ich Ihnen sage, dass bei ihm in allen Dingen einem ein „Etwas“ fehlt.

Auch hier ein bisschen Klatsch, dieses Mal von Carl von Nostitz, dem Adjutanten des Prinzen Ferdinand von Preußen: „Der Kaiser Alexander ist einfach glänzend und vornehm zuvorkommend. Sein Hand für die Frauen spricht sich so deutlich aus, dass die russischen Damen manchmal ungehalten sind über die Aufmerksamkeit, welche ihr Monarch den Wienerinnen bezeigt. Doch bleiben, soviel man weiß, alle Gunstbezeigungen in den Schranken des öffentlich-gesellschaftlichen Lebens.“

Die besonders zahlreich auf Alexander angesetzten „Konfidenten“ allerdings berichteten, dass er nicht so diskret vorging und allgemein angenommen wurde, dass die gekränkte und gedemütigte Zarin ihn verlassen und nach Deutschland zurückkehren würde. Über seine Mätresse, die Fürstin Katharina Pawlowna Bagration, sagte die Gräfin Lou Thürheim „In diplomatischen Kreisen hieß die Fürstin familiär „der nackte schöne Engel“, weil sie Toiletten zu tragen pflegte, welche bis an die Grenzen des noch Möglichen dekolletiert waren.“ Die Gräfin Maria Antonia Narischkin, mit der er sogar ein Kind hatte, das allerdings wenige Monate nach der Geburt starb, hatte Alexander sogar nach Wien begleitet, um sich nicht von ihm trennen zu müssen. Kein Wunder, dass die Zarin gekränkt und gedemütigt war.

Alexander starb unter geheimnisvollen Umständen in Taganrog; Gerüchten zufolge sollte sein Tod vorgeschützt sein, seine Beisetzung ein Schwindel, und angeblich hatte er sein Leben im Geheimen als Mönch beschlossen. Wenn es nicht stimmt, ist es eine gute Geschichte.

Erzherzog Johann von Österreich (1782 - 1859)

Erzherzog Johann als Reichsverweser; Lithographie von Joseph Kriehuber.

Erzherzog Johann spielte auf diesem Kongress nur eine Nebenrolle, aber seine Tagebücher zeigen inmitten des Trubels und der Intrigen einen aufrechten Mann mit Verstand und erstaunlichem Idealismus.

Hier soll er vor allem wegen der Liebesgeschichte mit Anna Plochl (1804 – 1885) genannt werden, seiner Gattin und der späteren Gräfin von Meran.

Die Liebesgeschichte wurde, wie wahrscheinlich allen von uns bekannt ist, im Jahre 1950 unter der Regie von Hans Schott-Schöbinger mit O.W. Fischer in der Rolle des Erzherzogs verfilmt. Marte Harell spielte Anna Plochl, Josef Meinrad einen Vertrauten des Herzogs.

Und wenn wir jetzt schon bei den Filmen sind, so darf „Der Kongress tanzt“ nicht fehlen.

Unter der Regie von Erik Charell und dem Drehbuch von Norbert Falk und Robert Liebmann entstand 1931 der Universum-Film (UFA Berlin) „Der Kongress tanzt“ Die Handschuhmacherin Christel Weinzinger (Lilian Harvey) wird, als sie angeblich den russischen Zaren (Willy Fritsch) angreift, als Attentäterin verhaftet. Eine hübsche Liebesgeschichte entsteht, die jedoch durch die Nachricht von der Landung Napoleons in Frankreich ein Ende findet. In weiteren Rollen: Conrad Veidt (Metternich), Carl-Heinz Schroth als Metternichs Geheimsekretär, Lil Dagover als Komtesse.

Ein Remake entstand 1955 unter der Regie von Franz Antel. In den Hauptrollen Johanna Matz (Christel), Rudolf Prack (Alexander), Karl Schönböck (Metternich) und Gunter Philipp (Pepi). Es wurde dieselbe Musik eingesetzt wie im Original.

 

Quellennachweis

Stephan Vajda, Felix Austria. Eine Geschichte Österreichs, Ueberreuter 1980
Hilde Spiel, Der Wiener Kongress in Augenzeugenberichten, Karl Rauch Verlag 1965
Karl Vocelka, Österreichische Geschichte 1699 – 1815, Ueberreuter 2001
Dr. Karl Soll, Der Wiener Kongress. In Schilderungen von Zeitgenossen, Verlag Ullstein & Co. 1916
Joseph Richter, Briefe eines Eipeldauers über d’Wienerstadt, Winkler-Verlag Münschen 1970