Ja, es gibt sie auch heute noch die „Gouvernanten“. Aber mit Fräulein Rottenmeier (aus Johanna Spyris „Heidi“) haben nichts mehr gemein.
Die meisten Jobmöglichkeiten stellen sich aber heutzutage eher für Frauen, die im Rotlichtmilieu arbeiten. Prostituierte die als „Gouvernante“ Kundenwünsche erfüllen und unartige Jungs züchtigen, stehen da hoch im Kurs. ;-)

Aber auch wenn man sein Geld nicht unbedingt in der Horizontalen verdienen möchte; kann man sich als „Gouvernante“ bewerben. Während für den oben erwähnten Fall, in der Regel nur eine eindeutige Gesinnung erforderlich ist, werden hier nun eine Reihe an beruflichen Anforderungen gestellt:

"Eine abgeschlossene Berufslehre als Hotelfachfrau, Erfahrungen als 1. Hausdame / 1. Gouvernante, mehrjährige Berufserfahrung, Führungserfahrung, Freundliche und zuvorkommende Umgangsformen, Nette und sympathische Erscheinung"

So stehe es zumindest in diversen Jobangeboten, unter anderem z.B. für die Schweiz und Deutschland.
Wer sich nun aber auf einen Job im Schloss XY freut, wo der verwitwete, zurzeit solo lebende und sehr attraktive Graf Soundso für seine 2 süßen Kinder eine Erzieherin benötigt, in die er sich evtl. verlieben könnte, der irrt leider.
Der Begriff „Gouvernante“ wird im deutschen Sprachgebrauch für die Hausdame, die im Hotelfachgewerbe beschäftigt ist, genutzt. Die Aufgaben der Gouvernante sind von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Im Allgemeinen überwachen und koordinieren Gouvernanten das Reinigungspersonal und das Housekeeping.
Je nach Größe des Hotels kann es sogar eine ganze Hierarchie von Gouvernanten geben, 1. Hausdame, 2. Hausdame, also 1. Gouvernante, 2. Gouvernante usw. In der Schweiz nennt man sogar die Mitarbeiterin die Zimmermädchen leitet „Gouvernante“, genauer gesagt Etagen-Gouvernante.

Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert bedeutet "Gouvernante“ (engl. Governess) Erzieherin oder Hauslehrerin für Töchter aus vornehmen Häusern zu sein.
Das Wort "Gouvernante“ geht zurück auf das lateinische „gubernare“ = lenken/leiten. Im Französischen bedeutet: "gouvernante", bzw. "gouverner" = "lenken", "leiten. Auch der "Gouverneur" = Befehlshaber hat den selben Wortstamm; frz. "gouverneur", lat. "gubernator" = "Steuermann" oder lat. "gubernare" = "das Steuerruder führen", "lenken".

Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Meinung im französischen Adel, dass Erziehung und Unterricht nicht mehr von Mutter und Vater erteilt werden sollten, sondern an andere Erziehungspersonen weitergegeben werden soll. Der Berufsstand der Gouvernante war geboren.
Ihre Aufgaben bezogen sich, im Gegensatz zu der der Nanny oder Amme, auf die Erziehung und nicht auf das leibliche Wohl des Kindes. Dementsprechend beaufsichtige sie auch nur die schulreifen Kinder und keine Kleinkinder.

Die Töchter des Hauses blieben in ihrer erzieherischen Obhut bis sie heirateten. Die älteren Jungen, die zunächst auch von der Gouvernante betreut wurden, kamen dann in die Obhut eines Tutors oder in eine Internatsschule.

Nachdem die Kinder aus dem Haus waren, musste sie die Gouvernante nach einer anderen Stelle umsehen. In manchen Fällen behielt sie ihre Anstellung und wurde nun die Gesellschafterin der Dame des Hauses.

Dieser Berufstand stellte in den folgenden zwei Jahrhunderten eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten für gebildete Frauen der Mittelschicht dar.
Diese Frauen wurden zu einer Zeit berufstätig, in der die Gesellschaft dies als einzigen, ehrbaren Weg einer Frau akzeptierte, sowie keinen anderen Beruf für das weibliche Geschlecht. Bedenkt man dies, so kann man sich recht gut vorstellen, wie leicht sie für die männerdominierte Gesellschaft zu Freiwild wurden.

Charlotte Brontë erklärte: „Eine Privat-Gouvernante hat keine Existenz und wird nicht als lebendes und vernünftiges Wesen betrachtet, außer in der Erfüllung ihrer Pflichten.“
Unter den „existenzlosen“ Frauen gab es viele herausragende Persönlichkeiten, wie z. B. Gouvernante Julie Daubié, die ihren Abschluss der höheren Schulausbildung den französischen Baccalauréat machte. Damals eine Sensation. Noch heute wird sie für ihre Willensstärke verehrt und ihr Name ziert eine Reihe von französischen Schulen und Öffentlichen Gebäuden und Räumen.

Marie Curie, die mit ihrer Arbeit als Gouvernante das Studium ihrer Schwester Bronia unterstützte, bis diese wiederum Marie unter die Arme greifen konnte.

Oder die Schwestern Brontë. Charlotte Brontë verewigte in ihrem Buch „Jane Eyre“ diesen Berufsstand.
Auch die Künstlerin Paula Modersohn-Becker, eine der bedeutendsten Vertreterinnen des frühen Expressionismus, arbeitet zunächst als Erzieherin.

Genauso wie die erste weibliche Friedensnobelpreisträgerin Bertha Suttner, die nicht bereit war, sich an einen Mann „zu verkaufen“ und mit ihrer Arbeit ihr eigenes Geld verdienen wollte.
Und in ihrem Fall haben wir sogar ein Happy End, denn sie verliebte sich in den Bruder ihrer Schützlinge, Arthur von Suttner, ihren späteren Ehemann.

Kurz erwähnt werden an dieser Stelle soll auch Anna Harriette Edwards Leonowens sein, die die Gouvernante für die ca. 50 Kinder des Königs von Siam war. Bekannt wurde sie durch die romanhafte Biographie „Der König und ich“ (Originaltitel: Anna and the King of Siam) von Margaret Landon.
Und Anne Sullivan, die an dem taubstummen Mädchen Helen Keller Wunder wirkte

Denn größten Aufschwung erlebte der Beruf der Gouvernante in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, da der Bedarf an Personal mit höherer Bildung mit dem wachsenden Bildungsbewusstsein der Adeligen und Bürgerlichen angestiegen war.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahmen in Deutschland bereits staatlich geprüfte Lehrerinnen Gouvernantenstellen ein und dieser Berufsstand verschwand hierzulande. Aber es entwickelten sich andere erzieherische Berufe, wie z.B. die Kindergärtnerin.
Übrigens der Schulbesuch wurde in Deutschland erst ab 1920 verpflichtend für alle Kinder.

Heute findet man „Gouvernanten“, die diesem erzieherischen Beruf nachgehen, noch in besonderes reichen Häusern, wie z.B. der Saudi-Arabischen Königsfamilie und oder auch im australischen Outback.

 

(Text:  AS, Quellen: wikipedia.org, Kindergartenpädagogik - Online-Handbuch - Herausgeber: Martin R. Textor, The Victorian governess von Kathryn Hughes, www.victorianweb.org)