Rezensionen

Kas Bewertung 05 Sterne.png

Zuerst dachte ich noch: Kann man Benkaus Erstling "Nybbas Träume" toppen? Hier meine Antwort: Kann man - aber anders als man denkt. Wo "Nybbas Träume" bissig und böse war, ist "Phoenixfluch" fast philosophisch, dramatisch, düster. Jennifer Benkau spielt mit dem Leser. Verlangt gar zu hinterfragen. Die bedeutendste Frage dieses Buches lautet: Was wäre wenn? Wer von uns hat sie sich nicht selbst schon gestellt? Doch eins sei vorausgeschickt: Das Thema, welches nach dem "Was wäre wenn?" fragt, ist mit Sicherheit nicht jedermanns Sache. Doch allein die Tatsache, dass Jennifer Benkau diese Thematik aufgegriffen hat (möchte hier nicht zu viel verraten ), zeigt meiner Meinung nach, das sie den Mut und die Ehrlichkeit besitzt, sich beim Schreiben "treu" zu bleiben, auch entgegen evtl. auftretender Empörungsrufe. Aber bildet euch eure eigene Meinung.

Der Phoenix, der Wiedergeborene bzw. der neugeborene Sohn, dargestellt als mythischer Vogel, der verbrennt, um aus seiner Asche wieder neu zu entstehen, ist hier das Synonym für Samuel. Samuel ist ein tragischer Held, der aufgrund einer schicksalhaften Fehlentscheidung sein Leben und das vieler anderer Menschen verändert hat. Er verließ den Pfad, der ihm vom Schicksal vorgegeben war und hat sich im Jahre 1888 in des Teufels Hände begeben.

Moira personifiziert in dieser Geschichte das Schicksal. Sie feilscht mit dem Teufel um Samuels Seele. Der Teufel willigt ein - unter einer Bedingung: Er behält einen Teil von Samuels Seele - den Teil, den seine Wut, sein Hass und seinen Zorn ausmacht. Samuel wird zurückgeschickt nur um täglich durch eigene Hand von neuem zu sterben. Über ihn wurde der Phoenixfluch verhängt. Tut er dies nicht, folgt das Unheil auf den Fuß. Denn mit dem Schicksal sollte man sich nicht anlegen, 122 Jahre Leid haben es bewiesen.

Bei einem dieser "Suizide" lernt er Helena kennen. Helena versucht alles, Samuel vor einem Sprung von der Brücke zu retten - hoffnungslos. Sie wird sogar, als sie bei der Polizei eine Aussage macht, auf Drogen hin getestet, da am Ort des Geschehens weder die Leiche, noch Blut gefunden wurde. Vernichtet durch Samuels "Phoenixfeuer".

Entstammend aus einer alten Hexenzunft, ist Helena offen für Mythisches - auch wenn sie auf Grund eines schockierenden Erlebnisses selbst ihre Gabe - das Sehen von Geistern - erfolgreich unterdrückt. Zufällig oder vom Schicksal gewünscht, laufen sich Helena und Samuel im "Notenhaus", wo Helena als Verkäuferin arbeitet, wieder über den Weg. Helena ist schlicht geschockt. Hat sie Halluzinationen? Er lebt noch? Wie ist das möglich? Samuel gibt vor Helena nicht wieder zu erkennen und setzt zum Rückzug an. Doch das Schicksal hat anderes mit den beiden vor: Einen sehr steinigen Weg im Kampf um ihre Liebe beginnt.

Jennifer Benkau ist mit "Phoenixfluch" eine weitere, fesselnde Geschichte gelungen. Man fühlt regelrecht einen Sog, der einen in dieses Buch zieht. Oberflächliches Darüber huschen ist absolut fehl am Platz. Hier ist Tiefe angesagt. Und als Jennifer Benkau dann auch noch den "Drachentöter" Georg in den Ring schickt, geht es erst so richtig los. Die dicht gepackte Erzählung ist düster, doch immer wieder hatte ich das Gefühl, als würde ein warmes Licht - in Form der Hoffnung - um die Ecke sitzen und warten.

Die Autorin hat ein Zitat von Friedrich Schiller einfließen lassen: "Wer sich über die Wirklichkeit nicht hinaushebt, der wird nie die Wahrheit erobern." Was wäre wenn sich Helena und Samuel nicht über die Wahrheit hinausheben würden? Von meiner Warte aus gibt es für dieses Buch fünf Punkte - einfach nur lesenswert.