Rezensionen

Nicoles Bewertung 04 Sterne.png

Lady Lavinia führt eine reine Vernunftehe mit dem älteren Edward. Doch abgesehen von der Tatsache, dass es zwischen dem Ehepaar keine Liebe und zärtliche Gefühle gibt, hat Lavinia keinen Grund zu klagen; finanziell ist sie abgesichert und Edward gehört zu einer der reichsten und einflussreichsten Familien in England. Die einzige Bedingung, die Edward bei der Eheschließung stellte, war, dass Lavinia ihm einen Erben schenken muss. Doch es ist auch die einzige Bedingung, die Lavinia ihm nicht erfüllen kann. Nach einem Besuch eines Arztes für Frauenheilkunde stehen Lavinias schlimmste Befürchtungen fest. Sie ist nicht in der Lage Kinder zu bekommen und muss nun fürchten, dass Edward sich von ihr scheiden lässt, denn er hat in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass sie keinen anderen Nutzen für ihn hat.

In einem schwachen Moment will Lavinia sich ertränken, wird aber im letzten Moment von der vorbeieilenden Susan gerettet. Susan kommt aus ärmlichen Verhältnissen, ihr Ehemann sitzt momentan im Gefängnis und so muss sie sich allein mit ihrem kleinen Sohn durchschlagen. Zu allem Überfluss ist Susan mit ihrem zweiten Kind schwanger und ihr eifersüchtiger Mann, vor dem sie sich fürchtet, wird in Bälde vorzeitig und wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen. Lavinia sieht sogleich die Möglichkeiten, als sie Susans schwangeren Leib sieht und macht ihr ein Angebot, das Susan schlecht abschlagen kann.

Susan soll nach Cornwall reisen, wohin sich Lavinia vor allzu neugierigen Augen zurückziehen möchte und dort in Lavinias Nähe ihr Kind austragen. Das Neugeborene soll dann Lavinia bekommen und Susan erhält im Gegenzug eine angemessene Summe von Lavinia. Eigentlich ein Vorschlag der beiden Seiten zugute kommt. Lavinia kann mit „ihrem Kind“ an Edwards Seite weiterhin ihr privilegiertes Leben weiterführen und Susan ist ihre Geldsorgen los und hat die Möglichkeit vor ihrem brutalen Mann zu flüchten. Doch das Schicksal geht so manches Mal verschlungene Wege und bringt die beiden Frauen in eine eigentlich ausweglose Situation….

Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Lady Lavinia und Susan, eine junge Frau aus der Arbeiterklasse, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während Lavinia durch ihre Heirat einen gehobenen Lebensstil führen kann und bislang kaum die Schattenseiten des Lebens kennen lernen musste (sieht man einmal davon ab, dass sie, weil ihre Familie bankrott ging, gezwungen war Edwards Heiratsantrag anzunehmen) ist Susan eine echte Überlebenskünstlerin. Sie liebt ihren Sohn über alles, doch gerade diesen muss sie eine Zeit lang zurücklassen, als sie sich auf Lavinas Angebot einlässt. Und trotz der Tatsache, dass ich von diesem historischen Roman so angetan war, hat mich dieser Punkt ein wenig gestört. Wie kann eine liebende Mutter ihren Sohn zurücklassen, wenn sie weiß, dass ihr Mann bald aus dem Gefängnis zurückkehrt? Dieses Verhalten passte meiner Meinung nach so gar nicht zu Susans sonstiger charakterlicher Darstellung und ehrlich gesagt habe ich mich daran etwas gestoßen, so dass es mir zunächst schwer fiel, die Hauptfigur in mein Leserherz schließen zu können.

Im Laufe des Romans, lernt man die Akteurin jedoch etwas besser kennen und kann trotz dieses Kritikpunktes mitfiebern, denn die Geschichte von Lavinia, Susan und dem Baby ist sehr spannend und atmosphärisch dicht gestrickt, wenn man erst einmal die ersten hundert Seiten passiert hat, denen meiner Meinung nach eine gewisse Langsamkeit anhaftet. Ab der Geburt von Susans Baby überschlagen sich die Ereignisse und neben der spannenden Haupthandlung erfährt man auch vieles Wissenswertes über die Suffragettenbewegung, Kriegswirren und selbst der Untergang der Titanic wird in „Das Lied der Lüge“ behandelt. Trotz der immerhin 723 Seiten verging die Lesezeit wie im Fluge, da die Autorin einen sehr eingängigen Schreibstil besitzt und gute Geschichten erzählen kann.

Wer einen historischen Roman mit hohem Unterhaltungsfaktor sucht, sollte dem Buch einen Chance geben. Allerdings dürfte dieses Buch nach meiner persönlichen Einschätzung eher etwas für altersmäßig etwas fortgeschrittenere Leser (ca. ab 30 Jahren) sein.

Kurz gefasst: Mit „Das Lied der Lüge“ bekommt man als Leser einen opulenten historischen Roman geboten, der eine interessante Zeitepoche der Geschichte näher beleuchtet.