Rezensionen
Kas Bewertung
Wir befinden uns im Winter an der rauen Küste einer der schottischen Orkney-Inseln. Durchaus könnte sich der Name vom norwegischen Wort "orkn"=Seehund ableiten. Und genau darum geht es in "Sturmherz", dem aktuellen Buch von Britta Strauß. Im Speziellen nicht um den Seehund an sich, sondern um ein mystisches Mischwesen aus Seehund und Mensch, einen Selkie, sein Name: Louan.
Louan lebt seit ewiger Zeit in dem Wissen, das er der letzte seiner Gattung ist. In der Vergangenheit ist er manches Mal gar nicht zimperlich mit den Menschen umgegangen. Empfindet er sie doch als zerstörerisch und ignorant, nicht fähig achtsam mit dem Ozean und dessen Bewohnern umzugehen. Doch ein Mädchen hat es ihm angetan, als er sie auf den Sturm umtosten Klippen stehen sah: Mari.
Mari lebt mit ihrem Vater Thomas alleine. Ihre Mutter hat beide vor einigen Jahren verlassen, weil sie mit dem Leben auf den Orkneys und Maris Vater nicht klar kam. Thomas ist Gärtner und hat eine mehr schlecht als recht gehende Gärtnerei für exotische Pflanzen aufgebaut. In Mari steckt eine tiefe Sehnsucht nach dem Meer und Selkies. Bereits als Kind hat sie Geschichten über diese Wesen gelesen und eine starke Faszination für sie entwickelt. Als sie dann einen angeschossenen jungen Mann am Strand findet - mit einem Seehundfell bei sich - ist ihr klar, dass dies nur eines bedeuten kann: Louan ist ein Selkie. So irrational sich das im ersten Moment für sie auch anhören mag.
Die Liebe zwischen einem Selkie und einer jungen Menschenfrau scheint unmöglich zu sein. Steht der Mensch schließlich fest verankert auf der Erde und der Selkie gleitet wie ein Pfeil durch die Tiefen des Ozeans. Doch beide entbrennen in Liebe zueinander, sich dessen jedoch bewusst, dass diese Liebe nicht von Dauer sein wird. Zu groß ist der Ruf des Meeres, dem der Selkie folgen muss. Alles scheint voller Harmonie, bis plötzlich ein Feind aus längst vergessenen Zeiten auftaucht, der das "Recht des Stärkeren" fordert. Zudem machen sich zwei Wissenschaftler auf, das Geheimnis um die Selkies zu lüften und dazu ist ihnen jedes Mittel recht!
Erzählt aus der Sicht der einzelnen Protagonisten besticht "Sturmherz" von Britta Strauß durch eine sehr bildhafte Sprache, die den Leser mitten ins Geschehen zieht. Man ist nicht nur stiller Beobachter, man ist mitten drin im Geschehen. Steht auf den Klippen, lässt sich den salzigen Wind um die Nase wehen und reitet mit Orcas durch den Atlantik. Oder hält mit Olivia, einer Freundin des Hauses, unter dem Rosenbogen des Gewächshauses, unter dem übrigens eine sehr bequeme Couch steht, ein Schwätzchen.
Dramatisch, romantisch, liebevoll und voller Leben, besticht "Sturmherz". Die Autorin webt nicht nur eine wundervolle LiebesGeschichte um den Selkie Louan und das Mädchen Mari, sondern verknüpft diese mit fast schon actionreiche Szenen, in denen auch das Leben selbst auf dem Spiel steht. Zudem macht sie darauf aufmerksam, was wir Menschen dem Ozean mit unserem Verhalten antun. Dazu bedient sie sich nicht der Vorschlaghammermethode, sondern geht mit schriftstellerischem Feingefühl vor.
Mari ist ein starker Charakter, der ohne "Klein-Mädchen-Allüren" auskommt. Das macht sie herrlich erfrischend und geradlinig. Mit Thomas hat sie einen Vater, dem sie vertrauen kann und der ihr im Gegenzug in allen Lebensbereichen Vertrauen schenkt. Ein tolles Tochter-Vater-Gespann also. Louan ist ein charismatischer Held, der, wenn es darauf ankommt, gehörig das Biest in sich zu Worte kommen lässt. Doch im Umgang mit Mari ist er liebevoll und fürsorglich. Auch wenn stets das Damoklesschwert des Abschieds über seinem Kopf hängt. Was ich persönlich sehr schön fand, war der Start der Geschichte, den Britta Strauß gewählt hat. Sie zäumt im Grunde genommen die Geschichte von hinten auf. Sehr gerne vergebe ich "Sturmherz" 5 zufriedene Lesepunkte.
Kurz gefasst: "Sturmherz" ist eine Geschichte, die durch ihre Bildhaftigkeit und Feinfühligkeit der Schreibweise von Britta Strauß besticht.